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Videoüberwachung: Pro und Contra Megapixel - Interview mit Dr. Martin Theis

01.06.2012 - Das Multifocal-Sensorsystem Panomera aus dem Hause Dallmeier schlägt hohe Wellen. Dabei bezeichnet der Hersteller seine neueste Erfindung bewusst nicht als „Kamera", sondern als „M...

Das Multifocal-Sensorsystem Panomera aus dem Hause Dallmeier schlägt hohe Wellen. Dabei bezeichnet der Hersteller seine neueste Erfindung bewusst nicht als „Kamera", sondern als „Multifocal-Sensorsystem". Und ­obwohl von extrem hohen ­Megapixelzahlen gesprochen wird, betont Dallmeier, dass die Zahl der Megapixel im Grunde genommen nicht ausschlaggebend ist. Was ­genau verbirgt sich also hinter ­„Panomera"? GIT-SICHERHEIT.de sprach mit Dr. Martin Theis, ­Produktmanager bei Dallmeier, über die technischen Hintergründe.

Herr Theis, nochmals in drei Sätzen: Was ist das Neuartige am Panomera-System?

Martin Theis: Mit dem Multifocal-Sensorsystem Panomera kann von einem einzigen Standort aus ein riesiges Areal hocheffizient überblickt werden. Beeindruckend ist dabei vor allem die Kombination von Gesamtübersicht und gleichzeitig höchster Detailauflösung: Auch weiter entfernte Objekte werden mit derselben Auflösung dargestellt wie Objekte im vorderen Bildbereich.

Das klingt eigentlich sehr einfach...

Martin Theis: Im Prinzip ist es auch genau das, was sich der Nutzer einer Videoüberwachungskamera wünscht: Der gesamte Bereich, den die Kamera beobachtet, soll in gleichbleibend ­guter Qualität dargestellt werden. Doch jeder, der schon einmal in ein Bild gezoomt wird, wird ­einen deutlichen Unterschied merken: Objekte im vorderen Bildbereich werden zwar mit hinreichender Auflösung dargestellt, wenn man allerdings Objekte aus dem hinteren Bildbereich vergrößern will, werden sie als Ansammlung grober Blöcke dargestellt. Nehmen wir doch mal ein
Beispiel aus der Praxis: Sehen Sie sich das Bild eines großen Parkplatzes vor einem Einkaufszentrum an. Nummernschilder von Autos in den vorderen Reihen sind noch lesbar, in den hinteren Reihen wird das Bild bei Vergrößerung aber konturlos, ein Erkennen der Buchstaben ist nicht mehr möglich. Deshalb hatten wir uns bei der Entwicklung der Panomera zum Ziel gesetzt, dass die spezifizierte Auflösung nie unterschritten wird, auch in den hinteren Bereichen des Bildes nicht.

Wie ist diese hohe Auflösung möglich?

Martin Theis: Wir nutzen ein ganz neues Objektiv- bzw. Sensorkonzept. Bei herkömmlichen Kameras werden die Pixel innerhalb des Sensors gleichmäßig genutzt, d.h. die vorhandenen Megapixel werden gleichmäßig auf das gesamte Bild verteilt. Die reale Szene ist allerdings nicht wie der Sensor zweidimensional, sondern dreidimensional - wobei die seitliche und tiefenperspektivische Ausdehnung nach hinten immer größer wird. Wenn die Pixel nun gleichmäßig auf dem Kamerasensor verteilt sind, heißt das, dass im hinteren Teil des Bildes ein viel größerer Bereich mit der gleichen Anzahl an Pixel aufgenommen wird wie im vorderen Teil. Und dies führt logischerweise dazu, dass weiter entfernte Objekte beim Hineinzoomen nicht mehr aufgelöst werden. Mit Panomera hingegen können wir eine gleichbleibende Auflösung über den gesamten Objektraum gewährleisten. Wir nutzen nicht eine einzige Optik, sondern ein Multifocal-Sensorsystem, also Objektive mit unterschiedlichen Brennweiten. Wir „staffeln" die Szene also, so dass jeder Bereich die für ihn optimale Brennweite hat.

Könnte man diesen Effekt nicht auch dadurch erzielen, dass man mehrere HD-Kameras mit­einander kombiniert?

Martin Theis: Definieren Sie mehrere! Sie ­müssten eine Materialschlacht führen, um eine vergleichbare Auflösung zu erzielen. Abgesehen davon, dass Sie als Benutzer Ihre Aufmerksamkeit auf entsprechend viele Einzelbilder verteilen müssten. Mehrere verteilte HD-Kameras würden definitiv kein so effizientes und ergonomisches Arbeiten erlauben wie ein einziges integriertes System. Bei der Entwicklung der Panomera haben wir viel Know-How und jahrelange Erfahrung im Bereich der Videosicherheitstechnik eingebracht, um dies zu ermöglichen. Ein vergleichbares System werden Sie derzeit am Markt nicht finden.

Wie stehen Sie zur Diskussion um immer ­steigende Megapixelzahlen?

Martin Theis: Im Prinzip kann man Diskussionen über die Anzahl der Megapixel und den daraus resultierenden Wettlauf der Hersteller um ständig steigende Megapixel-Auflösungen verwerfen. Wir sind bei der Entwicklung der Panomera von einem ganz anderen Ansatz ausgegangen: Was genau will eigentlich der Kunde? Im Prinzip ist es für ihn doch nicht entscheidend, ob eine Kamera 12 oder 21 Megapixel hat. Für den Endnutzer ist das Ausschlaggebende, wie klar und deutlich das Objekt, das er sehen will, dargestellt wird. Wir haben unseren Denkansatz also umgekehrt: Wir wollten nicht einfach die Pixel auf dem Sensor erhöhen, um marketingtechnisch mit hohen Megapixelzahlen werben zu können. Bei uns war die Beobachtungsaufgabe das Maß der Dinge: Wie schaffen wir es, dass auch weiter entfernte Objekte hochaufgelöst und mit hohem Kontrast dargestellt werden können? Wir gingen bei unseren Überlegungen also quasi „back to the roots": Wir gehen nicht von den Sensorpixeln aus, sondern von der Auflösung in Pixel pro Meter. Streng genommen müssten wir sogar von Linienpaaren pro Meter sprechen.

Lassen Sie mich kurz einhaken: warum ­„Linienpaare pro Meter"?

Martin Theis: Ein Linienpaar besteht aus einem schwarzen und einem weißen Balken. Bewegt man sich quer über ein Linienpaar, springt die Helligkeit von null auf eins. Durch die Optik, den Sensor, die Elektronik, etc. verliert dieser Hell-Dunkel-Wechsel (die Modulation) an Kontrast, so dass die zwei ursprünglich unterscheidbaren Balken mit zunehmender Liniendichte in ein Grau-in-Grau übergehen. Jeder, der sich ernsthaft mit Kameras beschäftigt hat, kennt die Balkencharts, auf denen man nach der Stelle sucht, an der zwei Balken nicht mehr unterscheidbar sind. Dieser Grenzwert, Linienpaare pro Meter, sagt nun genau aus, in wie viele unterscheidbare schwarz-weiß Balken sich ein beobachtetes Objekt noch zerlegen lässt. Und diese Zahl kann man wiederum mit den Grenzwerten für „Beobachten", „Erkennen" und „Identifizieren" vergleichen, mit denen die Aufklärungsspezialisten von Militär und Polizei arbeiten. Die Frage ist also nicht, wie viele Pixel man hat, sondern wie das Objekt im Bild erscheint.

Das klingt logisch. Dennoch wirbt aber auch Dallmeier mit hohen Megapixel-Zahlen...

Martin Theis: Ja, das stimmt. Der Endkunde steht vor einer immensen Auswahl an verschiedenen HD- und Megapixel-Kameras, und die will er selbstverständlich miteinander vergleichen. Deshalb machen auch wir Megapixel-Angaben und Auflösungsvergleiche mit herkömmlichen Kameras, um Interessenten Anhalts- und Vergleichspunkte zu geben. Also wenn wir beispielsweise auf eine Entfernung von etwa 160 Meter noch Personen erkennen können, was mit Panomera ja möglich ist, müssten wir bei einer herkömmlichen Bauweise von einer 200 Megapixel-Kamera oder gar mehr sprechen, um die gleiche Auflösung zu erhalten! Solche Vergleiche sind für den Kunden hilfreich, obwohl ich nochmals betonen möchte, dass Panomera nicht einfach eine neue Super-Megapixel-Kamera ist, sondern eine völlig neue Technologie dahinter steckt.

Ein weiterer Vorteil der Panomera ist die ­permanente Aufzeichnung des Gesamtbildes. Ist das nicht gängige Praxis?

Martin Theis: Leider nein. Natürlich zeichnen Fixdome- oder Boxkameras immer den gesamten Bereich auf, den sie überblicken. Aber diese Kameras verfügen ja auch nicht über einen optischen Zoom, so dass sie sich für die Überwachung weitflächiger Gebiete nicht bzw. nur als Übersichtskameras eignen. Deshalb werden derzeit häufig PTZ-Kameras eingesetzt, mit denen man zoomen und sich in der Szene bewegen kann. Dabei haben PTZ-Kameras aber einen entscheidenden Nachteil: Es wird immer nur der Bereich aufgezeichnet, den der Operator gerade live sieht. Nehmen wir noch einmal das Beispiel unseres Parkplatzes: Angenommen, der Operator zoomt gerade auf den linken vorderen Bereich des Bildes, dann wird auch nur genau dieser Bereich aufgezeichnet. Falls sich also zur gleichen Zeit an einer anderen Stelle ein Vorfall ereignen würde, wäre dieser nicht mehr nachvollziehbar. Bei Panomera wird dagegen die gesamte Szene stets mit maximaler Detailauflösung aufgezeichnet - egal, welchen Bereich der Operator live betrachtet. Somit können Vorfälle auch im Nachhinein analysiert werden.

Wie sehen die weiteren Pläne für Panomera aus?

Martin Theis: Wir sind gerade dabei, Projektierungsarbeiten für zahlreiche Kundenanfragen zu erledigen. Denn Panomera ist kein Massenprodukt von der Stange, sondern wir leisten im Vorfeld entsprechende Planungsarbeiten, damit das Multifocal-Sensorsystem individuell angepasst und die vom Kunden gewünschte Auflösung erreicht wird. Die ersten Projekte wurden bereits umgesetzt, da viele Kunden erkannt haben, wie kosteneffizient das System im Vergleich zu herkömmlicher Technik ist. Hier werden wir in naher Zukunft sicherlich noch viele weitere Projekte umsetzen.

Vielen Dank für das Gespräch.