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Sicherheitstechnik an Türen mit Zuhaltung - Beurteilung nach der neuen EN ISO 14119

26.07.2013 - Der Einsatz einer Zuhaltung an Schutztüren ist eine bereits seit ­langem bewährte Technik zur ­Absicherung von Maschinen mit nachlaufenden Bewegungen. Die ­Zuhaltung gewährleistet,...

Der Einsatz einer Zuhaltung an Schutztüren ist eine bereits seit ­langem bewährte Technik zur ­Absicherung von Maschinen mit nachlaufenden Bewegungen. Die ­Zuhaltung gewährleistet, dass die Schutztür erst nach vollständigem Stillstand der Maschine geöffnet werden kann. Die Beurteilung dieser Art der Sicherheitstechnik ist nach der bisher gültigen Norm alles ­andere als einfach. Die Nachfolgenorm verspricht hier deutliche ­Verbesserungen.

Die bisher gültige EN 1088 zur Beurteilung der Sicherheitstechnik an einer Tür mit Zuhaltung wird demnächst durch die EN ISO 14119 abgelöst. Beide geben Hilfestellung bei der Beurteilung von Verriegelungseinrichtungen an beweglichen trennenden Schutzeinrichtungen. Im Folgenden werden neben der EN ISO 14119 auch alle anderen gültigen Normen, die zur Beurteilung der Sicherheitsfunktion „Zuhaltung" -Berücksichtigung finden, kurz vorgestellt.

Die Hauptnorm im Zusammenhang mit Schutztüren ist heute die EN 1088, „Sicherheit von Maschinen - Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen - Leitsätze für Gestaltung und Auswahl". Sie besteht seit 1995 und wurde letztmals 2005 ergänzt und veröffentlicht. Das Datum der Norm ist zwar heute 2008, jedoch wurden nur noch rechtliche Anpassungen an die geänderte Maschinenrichtlinie eingefügt. Inhaltlich hat sich seit dem ersten Erscheinen so gut wie nichts geändert. Seit einigen Jahren wird an einer grundlegenden Überarbeitung der EN 1088 gearbeitet. Der Entwurf erschien im Jahr 2011 unter einer neuen Nummerierung - die prEN ISO 14119. Das Erscheinen der endgültigen Fassung steht für Ende des Jahres an. Diese hat sich, gegenüber dem Entwurf, noch einmal sehr stark geändert.

Normative Beurteilung am Beispiel ­einer Drehmaschine
Der vollständige Weg durch die Normen lässt sich am Beispiel einer Drehmaschine zeigen, deren Hauptgefährdung die drehende Hauptspindel mit dem aufgespannten Werkstück ist. Im ersten Schritt kann die Risikoanalyse nach EN ISO 12100 oder bei Drehmaschinen nach der zuständigen C-Norm, der EN ISO 23125, vorgenommen werden. Aus der Analyse ergibt sich, dass eine Abdeckung der Gefährdungsstelle aufgrund von möglicherweise herausgeschleuderten Teilen aus der Maschine notwendig ist. Nachfolgend ist zu beurteilen, ob eine Verriegelungseinrichtung an der Schutzhaube ausreichend ist oder, ob eine Zuhaltung zum Einsatz kommen muss.

Die Norm, die zur Beurteilung herangezogen wird, ist die EN ISO 13855. In dieser ist die Berechnung des Abstandes von Schutztüren von einer Gefährdungsstelle geregelt. Im Abschnitt 9 ist beschrieben, welchen Mindestabstand eine Schutzeinrichtung haben muss, damit nach Öffnen der Tür, bei einer nachlaufenden Bewegung, keine Gefährdung entstehen kann. Alternativ kann, wenn der Abstand nicht eingehalten wird, eine Zuhaltung eingesetzt werden, die dann wiederum nach EN 1088 bzw. demnächst nach EN ISO 14119 ausgewählt werden muss.

Der Mindestabstand der Schutzeinrichtung von der Gefährdungsstelle errechnet sich nach EN ISO 13855 mit der Formel S = K * T + C. S ist der Mindestabstand, K die Annäherungsgeschwindigkeit, T die Zeit, bis die Maschine in einen ungefährlichen Zustand versetzt wurde (Nachlaufweg) und C eine Konstante, die entsprechend der Öffnungen in der Schutzeinrichtung mindestens eingehalten werden muss, damit in einer laufenden Maschine keine Gefahrenstelle erreicht werden kann.

Für unser Beispiel der Drehmaschine kommt heraus, dass für C der Wert 0 angenommen werden darf, da die Schutzhaube keine Öffnungen aufweist. Die Entfernung vom Werkstück zur vorgesehenen Schutzhaube beträgt 200 mm. Mit diesem Wert ergibt sich eine maximal erlaubte Nachlaufzeit von 0,125 s (K = 1600 mm/s als Konstante aus der Norm), die noch um einen Wert verlängert werden darf, der benötigt wird, um die Haube zu öffnen. Dieser Wert wird vom Konstrukteur unserer Drehmaschine mit 0,5 s angenommen. Somit wäre eine maximale Nachlaufzeit von 0,625 s erlaubt. Das erfüllt der Antrieb in unserem Beispiel nicht, er stoppt erst nach ca. 1 s. Somit muss entweder der Abstand vergrößert oder aber eine Zuhaltung eingesetzt werden.

Entsperrung durch Energie - ­Verriegelung durch Federkraft
In unserem Beispiel wird eine Zuhaltung herangezogen, die den Anforderungen der EN 1088 und, ab Gültigkeit der EN ISO 14119 denen dieser neuen Norm genügen muss. Eine ganz wesentliche Forderung in beiden Normen ist, dass eine Zuhaltung durch Energie entsperrt und durch Federkraft verriegelt werden muss (Ruhestromprinzip). Nur in begründeten Ausnahmen ist es möglich ein Prinzip zu verwenden, das davon abweicht. Ein möglicher Grund für die Ausnahme ist bspw., dass in einer Anlage ein Feuer ausbrechen kann und der Zugang in eine Maschine auch bei Stromausfall für die Feuerwehr gewährleistet sein muss.

Eine weitere Möglichkeit, die in der EN ISO 14119 vorgesehen ist, um sich in Notsituationen Zugang zur Maschine verschaffen zu können, bietet eine Notentsperrung. Diese ermöglicht im Gefahrenfall die Zuhaltung ohne Hilfsmittel zu entsperren. Für das Beispiel Drehmaschine bietet sich als Zuhaltung der Sicherheitsschalter STP3 von Euchner an, der die obigen Anforderungen nach dem Ruhestromprinzip aus der EN ISO 14119 erfüllt.

Sicherheitsschalter mit Zuhaltung und Zuhaltungsüberwachung
Der STP ist ein elektromechanischer Sicherheitsschalter mit Zuhaltung und Zuhaltungsüberwachung. Seine schlanke Bauform erlaubt eine einfache und platzsparende Montage. Das glasfaserverstärkte Kunststoffgehäuse und die hohe Schutzart (IP67) ermöglichen den Einsatz in sehr rauen Umgebungen. Durch den Metallkopf können Zuhaltekräfte bis 2500N realisiert werden. In dieser Anwendung ist ein Schaltelement mit 4 zwangsöffnenden Kontakte verbaut. Von denen zwei zur Tür- und zwei zur Magnetüberwachung dienen.

Die nächste Forderung, die unverändert in der EN ISO 14119 übernommen wurde, sagt, dass die Sperrstellung der Zuhaltung überwacht sein muss, damit die Maschine nur dann in Betrieb genommen werden kann, wenn die Zuhaltung auch wirklich geschlossen ist. Die zugehörige Sicherheitsfunktion ist die Überwachung des Sperrmittels der Zuhaltung. Diese ist entsprechend der Risikoanalyse auszuführen. In unserem Beispiel ist eine Kategorie 3 nach EN ISO 13849-1 zu erreichen, da der geforderte PLr d ist. Für den gewählten STP3 werden zu diesem Zweck die Kontakte 11 - 12 und 31 - 32 eingesetzt, die beide den Magnetbolzen der Zuhaltung auf die Stellung überwachen.

Beurteilung der technischen ­Umsetzung
Im nun folgenden Schritt soll die technische Umsetzung der Sicherheitsfunktion beurteilt werden. Hierzu dient bspw. die EN ISO 13849. Bei der Beurteilung der Zuhaltung nach der EN ISO 13849-1 stellen sich gleich mehrere Fragen. Zumeist wird die elektrische Überwachung zweikanalig ausgeführt, wie in unserem Beispiel oben auch beschrieben. Jedoch fordern die Kategorien 3 und 4 ja eindeutig zwei Sensoren. Heißt das nun, dass auch zwei Zuhaltungen eingesetzt werden müssen? Diese Frage wird in der Endfassung der EN ISO 14119 in der Form beantwortet, dass auch für den PL e bzw. SIL 3 der Fehlerausschluss auf das Brechen der Zuhaltung zulässig ist, also nur ein Zuhaltebolzen verwendet werden muss. Somit reicht es aus, nur einen STP3 als Zuhaltung einzusetzen.

Anschließend erfolgt die Bestimmung des Diagnose-Deckungsgrad DC. Hierfür muss die Schaltung in der Form aufgebaut sein, dass möglichst viele Fehler erkannt werden können. Hierzu bietet es sich bspw. an, einen zweiten Sensor als Türstellungssignal mit einzubinden. Mit Hilfe dieses Sensors können dann, je nach Auswertung, die Fehler gefunden und somit auch der notwendige Diagnosedeckungsgrad DC erreicht werden. Alternativ kann aber auch immer noch ein Fehlerausschluss auf Teile der Sicherheitskette gemacht werden. In diesem Fall wäre der zweite Sensor nicht immer notwendig. In der Übersicht „Bewährtes bleibt sicher" von Euchner wird das Vorgehen bei einem Fehlerausschluss beschrieben.

Ansteuerung der Zuhaltefunktion
Eine weitere Frage ist, nach der sicherheitstechnischen Beurteilung, die Ansteuerung einer Zuhaltefunktion. Ist diese sicherheitsrelevant und falls ja, wie sieht da die Beurteilung aus? Auch diese Frage beantwortet die neue EN ISO 14119 - jedoch leider nicht ganz eindeutig. Sie gibt in einer Anmerkung an, dass der Performance Level PL typischerweise niedriger als der ist, den die Stellungsüberwachung der Zuhaltung hat. Dies ist so, da eine Gefährdung durch den Ausfall in den meisten Fällen nur kurz besteht, denn sobald die Ansteuerung der Zuhaltung fälschlicherweise die Schutzeinrichtung öffnet, wird durch die Überwachungsschaltung der Sperrstellung, die Maschine abgeschaltet. Somit besteht zumeist genau einmal die Gefährdung, an einer auslaufenden Maschine. Letzten Endes kommt dabei in der Praxis in den meisten Fällen sicherlich eine einkanalige Ansteuerung heraus. Diese muss den Forderungen des PLr, der aus der Risikobeurteilung kommt, genügen.

Übrigens beinhaltet eine Zuhaltung typischerweise noch eine weitere Sicherheitsfunktion: das Verhindern des unerwarteten Anlaufs einer Maschine. Da zu diesem Zweck zumeist dieselben Bauelemente wie zur Zuhaltung der Schutzeinrichtung zuständig sind, kann die sicherheitstechnische Beurteilung von der Funktion Überwachung der Zuhaltung übernommen werden. Dies basiert darauf, dass Zuhaltungen wie bspw. beim Sicherheitsschalter STP schon immer eine sogenannte Fehlschließsicherung beinhalten. Fehlschließsicherung bedeutet, dass eine Mechanik verhindert, dass die Zuhaltung aktiviert werden kann, ohne dass die Schutzeinrichtung in der Stellung geschlossen ist. Der STP3 beinhaltet für diese Funktion weitere Kontakte, die die Stellung der Schutzeinrichtung überwachen. Eine Zuhaltung erfüllt also sehr viele Funktionen auf einmal.
Nach EN ISO 13849-1 muss nun aus der elektrischen Schaltung ein Blockdiagramm nach der Struktur der gewählten Kategorie erstellt werden. Dies ist speziell bei Zuhaltungen nicht sehr einfach. Eine gute Anleitung zur Erstellung des Diagramms geben die „Sistema Kochbücher" der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Weitere Hilfestellungen zu diesem Thema werden in Zukunft erscheinen.

Reihenschaltung
In Zusammenhang mit der EN ISO 13849 ist auch die Beurteilung einer Reihenschaltung von elektromechanischen Sicherheitsschaltern interessant. Enthielt der Entwurf der neuen Norm, die prEN ISO 14119, noch eine Hilfestellung zu diesem Thema, so wird diese in der endgültigen Fassung entfallen. Gleichzeitig soll ein Papier erscheinen, das dieses Thema besser und umfassender erläutern soll. In einem Anhang zu einer Norm kann nicht tief genug auf ein solch komplexes Thema eingegangen werden.

Mit der kommenden EN ISO 14119 werden insgesamt die Beurteilung und der Einsatz der bewährten elektromechanischen Zuhaltungen deutlich einfacher, da die Vorgehensweise eindeutiger beschrieben wird. Darüber hinaus sind in der neuen Norm eine vereinfachte Beurteilung der Manipulationsgefahr und eine Beschreibung für die Anbindung an eine Steuerung enthalten. Dies sind aber nur einige der Änderungen, die in der EN ISO 14119 enthalten sind.

Moderne Sicherheitslösungen ­erleichtern die Beurteilung
Moderne Lösungen für Zuhaltungen, wie es die Multifunctional Gate Box MGB (System zur Absicherung von Schutztüren) oder der CET (transponderbasierter Sicherheitsschalter mit mechanischer Zuhaltung) von Euchner sind, stellen bereits ein vollständiges Subsystem nach EN ISO 13849-1 dar, da die Auswertung der sicherheitstechnischen Signale bereits im Gerät integriert ist. Somit kann das notwendige Blockschaltbild noch einfacher erstellt werden. Die Berechnung der sicherheitstechnischen Kennwerte ist einfacher, da diese Werte von dem Anbieter bereits zur Verfügung gestellt werden können. Auch eine Reihenschaltung ist mit dieser Art Zuhaltungen möglich, ohne dass der PL der Gesamtschaltung dadurch niedriger wird. In Summe also ein Paket, dass alle Wünsche in einem erfüllen kann und auch die neue EN ISO 14119 vollständig erfüllt.

 

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