Security

Styx: Draußen bei den ­Wildschweinen

Piendl, Styx und Honeywell: Perimeterschutz für abgelegene Solarparks – am Beispiel eines Projekts bei Magdeburg

07.06.2021 - Die Absicherung von Freiflächen-Anlagen ist gerade unter Covid-19-Bedingungen eine echte Herausforderung. Welche Lösungen es dafür gibt, besprechen wir mit den Beteiligten am Beispiel eines Solarparks in der Nähe von Magdeburg: Hier wurde ein Sicherheitskonzept für einen Solarpark realisiert.
GIT SICHERHEIT befragte dazu die an diesem Projekt Beteiligten: Angela Bschorr von der VR-Bank Donau-Mindel eG in Dillingen, den Sicherheitstechnik-Sachverständigen Markus Piendl, René Steinkellner, Geschäftsführer von Styx Sicherheitstechnik sowie Torsten Ulmer von Novar / Honeywell.

GIT SICHERHEIT befragte dazu die an diesem Projekt Beteiligten: Angela Bschorr von der VR-Bank Donau-Mindel eG in Dillingen, den Sicherheitstechnik-Sachverständigen Markus Piendl, René Steinkellner, Geschäftsführer von Styx Sicherheitstechnik sowie Torsten Ulmer von Novar / Honeywell.

GIT SICHERHEIT: Frau Bschorr, die Investition in Solarparks spielt bei Ihnen eine wichtige Rolle im Rahmen der Vermögensverwaltung für Ihre Kunden. In welcher Weise sind Sie hier tätig?

Angela Bschorr: Investitionen unserer Kunden in erneuerbare Energien unterstützen wir ausdrücklich. Von einigen Solarparks sind wir auch selbst Eigentümer. Bei diesen Anlagen – das sind sowohl Aufdach- als auch Freiflächen-Anlagen – stehen wir in einer besonderen Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedern und Kunden.

Die Sicherheit dieser Solarparks gehört damit ebenfalls zu den Themen, mit denen Sie sich beschäftigen müssen. Vor kurzem haben Sie für einen Solarpark bei Magdeburg ein Sicherheitskonzept eingeführt, über das wir sprechen wollen. Wie lief das ab – und wo lagen die zu lösenden Probleme?

Angela Bschorr: Es handelt sich um einen Solarpark mit 10 MW, der uns in der Tat lange Zeit Kopfzerbrechen bereitet hatte. Nach vier professionell durchgeführten Diebstählen von Modulen und Kabeln sowie zwei Bränden in Transformatorenhäuschen mussten wir etwas unternehmen. Die Schäden waren sechsstellig und nicht länger hinnehmbar.

Wie sind Sie an dieses Problem herangegangen?

Angela Bschorr: Ich stimmte mich zunächst mit unserer Erst-Versicherung, der R+V in Wiesbaden, ab. Wir kamen überein, dass die vorliegenden Gutachten für die Brandschäden inhaltlich nachvollziehbar waren, aber keine konkreten Empfehlungen für einen nachträglich zu installierenden Brandschutz enthielten. Unser Park war seinerzeit lediglich mit einem mechanischen Zaunsystem gesichert – es gab kein Perimeter-Schutzkonzept. Die R+V empfahl mir die Kontaktaufnahme mit dem Sachverständigen Markus Piendl aus München. Mit seiner Hilfe machten wir uns zum Beispiel über die Vor- und Nachteile verschiedener Sensoren kundig. Insbesondere machten uns Videodokumentationen von Angriffen auf Solarparks deutlich, dass Diebstähle auf Solaranlagen fast immer professionell vorbereitet und präzise durchgeführt werden. Die Täter bewegen sich zum Beispiel vorsichtig auf den Knien und Ellbogen, oder rollen förmlich durch den Perimeter, um das Auslösen von Alarm durch etwa installierte Sicherheits-Technik zu vermeiden. Es wurde klar, dass wir uns gegen Diebstähle viel besser wappnen müssen.

Herr Piendl, als Sie hinzugezogen wurden, war der Park ja zumindest mit einem Zaunsystem gesichert. Offenbar hatte das keinen abschreckenden Effekt auf die Täter...

Markus Piendl: Nein – und das entspricht auch meinen Erfahrungen, die ich bei vielen Projekten im In- und Ausland gesammelt habe. Einen Zaun zu überwinden, ist für die Täter kein Problem – ebenso wenig das Aufhebeln der Module trotz der Verwendung von Einschlagkugeln. Muskelkraft und geeignetes Werkzeug reichen aus. Gerade Photovoltaik-Parks liegen oft fernab von Siedlungen, so dass die Täter in der Regel nicht gestört werden und u.a. mit Hilfsmitteln ungestört arbeiten können. Es war eine professionelle Lösung gefragt um diesen Tätern wirksam zu begegnen.

Wie lief das Projekt weiter ab?

Angela Bschorr: Herr Piendl empfahl uns, auf Basis einer herstellerneutralen Ausschreibung fünf Sicherheits-Errichter um ein konkretes Angebot inklusive einer detaillierten technischen Vorplanung zu bitten. Ich bat jeweils auch um Besichtigung unserer Anlage. Mir war wichtig, dass die Errichter die Situation vor Ort kannten und keine Planung durchführten, die z.B. auf Google Earth basiert. Die lokale Polizei-Dienststelle bekräftigte Herrn Piendls Ansatz, an der Grenze des Geländes mit der Detektion zu beginnen und Alarme mittels Videotechnik zu verifizieren und idealerweise zu analysieren.

Herr Piendl, Sie haben die Ausschreibung verfasst – mit stattlichen 17 Seiten? 

Markus Piendl: Die Ausschreibung ist in Zusammenarbeit mit Erst-Versicherungen entstanden und beschreibt detailliert die Anforderungen an Sicherheits-Technik und Dienstleistungen. Auf Basis dieser Ausschreibung wurden national und international über 400 Projekte von verschiedenen Sicherheits-Errichtern erfolgreich abgesichert.

Angela Bschorr: Mich hat die Detailtiefe dieser Ausschreibung überrascht. Im Laufe der folgenden Monate habe ich viele der einzelnen Punkte in meinem Projekt wiedergefunden – Redundanz, Blitzschutz, VPN, Abnahmeprotokolle, technische Dokumentation, IT-Härtung, VD, PD, NAR, FAR usw.

Wie kamen Sie zu einer Entscheidung?  

Markus Piendl: Wir sind nach dem Ausschlussprinzip vorgegangen. Aufgrund der Qualität des mechanischen Zaunsystems schieden beispielsweise Zaunsensoren aus. Viele Reißdrähte die auf Segmentbasis arbeiten, sind leicht zu überbrücken. Für Mikrowellen gab es nicht genügend Platz und die Grenznähe sprach gegen GPS-basierte Lösungen. Der Service-Leitstelle war eine nahtlose Integration in deren Leitstellen-Umfeld und eine möglichst geringe Anzahl von unerwünschten bzw. Falsch-Alarmen wichtig.

Angela Bschorr: Mir war neben dem Sicherheits-Konzept auch dessen Wirtschaftlichkeit wichtig. Vor der Kaufentscheidung wollte ich alles Vorgeschlagene selbst ausprobieren und auf die Probe stellen

Herr Steinkellner, Sie sind der Geschäftsführer von Styx Sicherheitstechnik in Fohnsdorf in Österreich und haben die Ausschreibung für sich entschieden. Wie sah Ihr Konzept aus?

René Steinkellner: Wir haben uns mit unserer Marke Avasun in diesem Projekt als General-Unternehmer für das Thema Sicherheit vorgestellt. Unser Angebot umfasste nicht nur bauliche Maßnahmen wie z.B. Grab-, Fundament- und Kabelarbeiten für die spätere Kamera- und Brandschutzüberwachung durch unseren Partner Phao Sicherheits- und Elektrotechnik, sondern auch die personelle Überwachung bis zur Fertigstellung der Sicherheitstechnik und spätere Aufschaltung der Leitstelle. Die Ausschreibung konnten wir dank umfangreicher Erfahrungen in verschiedenen Perimeter-Sicherheits-Projekten erfüllen. Dem Wunsch von Frau Bschorr, die Sicherheits-Technik einem eigenen Test zu unterziehen, kamen wir auf unserem Testgelände in Zeltweg Österreich gerne nach. Dort bauten wir eine Teststrecke von 200 Metern auf.

Konnte die für den Test aufgebaute Hardware überwunden werden?

René Steinkellner: Die umfangreichen Tag- und Nachttests unter schwierigsten Bedingungen wie z. B. Regen, Wind und Scheinwerferlicht von Fahrzeugen waren das eine. Wir waren uns sicher, dass der von uns verbaute passive Infrarotmelder und die Video-Analyse dem gewachsen sein würden. Dass Herr Piendl und sein österreichischer Sachverständigen-Kollege Hannes Dopler Tests durchführen würden, die jenen des britischen CPNI (ehemals i-LIDS) ähneln, also das Gehen, Kriechen, Rollen usw. nachstellen würden, war uns bewusst. Besonders spannend wurde es, als die beiden Sachverständigen unkonventionelles Tätervorgehen mit diversen Einsatzmitteln nachstellten. Wir konnten – während über unserem Testfeld österreichische Eurofighter starteten und landeten – erkennen, welcher Sensor an welchen Stellen an einem Limit angekommen war. Das war eine wichtige Erkenntnis für mich, aber auch für unsere Techniker und den Vertrieb. Die Kombination zweier voneinander unabhängiger Sensoren, bei dem die mögliche Schwäche eines Sensors durch die Stärke eines anderen ergänzt, haben wir in einem Video dokumentiert.

Angela Bschorr: Die Leistungsfähigkeit des PIRs und der Video-Analyse haben mich in der Kombination überzeugt. Das erstellte Video hat mir geholfen, hausintern zu erklären, welche Vorteile dieses System bietet. Ich habe für mich aber auch mitgenommen, dass es 100%ige Sicherheit nicht gibt. Jedes Sicherheits-System hat ein Limit.

Herr Steinkellner, Sie haben sich mit Ihrem Angebot gegen namhafte Mitbewerber durchgesetzt und den Auftrag erhalten. Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung?

René Steinkellner: Als General-Unternehmer bereiteten mir die zunächst anstehenden Grabarbeiten Sorge. Es wäre fatal gewesen, vorhandene Kabel zu beschädigen. Nachdem diese Herausforderung erfolgreich gemeistert war, schränkten die Covid-19-Vorgaben die Montage- und Installationsarbeiten ein. Unsere Techniker regelmäßig zu testen war das eine – die anstehende Abnahme terminlich zu halten das andere. Stolz waren wir auf die niedrige NAR/FAR-Quote: bei ca. 2.000 Metern Zaun ist diese pro Tag einstellig. Lediglich als uns Wildschweinrotten heimsuchten, wurde dieser Wert deutlich überschritten. Umfangreiche Empfehlungen des Bayerischen Jagdverbands Feldkirchen zur Abwehr von Schwarzwild und die punktuelle Ertüchtigung des beschädigten Zaunes haben uns dabei unterstützt, auch das Wildschweinproblem zu lösen.

Herr Ulmer, Sie sind bei Novar Honeywell herstellerseitig für PIR und Video-Analyse verantwortlich und haben Styx bei diesem Projekt u.a. vor Ort unterstützt. Welche Lösungen aus Ihrem Haus hat Styx verbaut?

Torsten Ulmer: In diesem Projekt kamen die in der Praxis bewährten ADPRO Melder der H-Serie zum Einsatz. Diese Sensoren bieten mit Passiv-Infrarot-Technologie in Kombination mit einer hochpräzisen Spiegeloptik, fortschrittlicher digitaler Signalverarbeitung und umgebungsadaptiven Algorithmen höchste Erkennungszuverlässigkeit bei gleichzeitiger Minimierung von Fehlalarmen. Außerdem wurde eine ADPRO iFT-E IP-Video-Multi-Service-Plattform in Verbindung mit unserer i-Lids Primary Level-One-zertifizierten Video-Analyse Intrusion Trace installiert. Das ist eine bewährte Kombination, die in hohen Stückzahlen im In- und Ausland erfolgreich eingesetzt wird.

Frau Bschorr, Sie haben die Abnahme zunächst nicht persönlich, sondern online durchgeführt...?  

Angela Bschorr: Die Inzidenzen waren gerade hoch. Ich wollte niemanden bei einer Abnahme einer Gefahr aussetzen. Herr Steinkellner hat bei einer Vorabnahme an seinem Helm eine Kamera befestigt und wurde von Herrn Piendl und mir entlang des Perimeters im Zick-Zack-Gang in den verschiedenen Gangarten gelotst, ohne die Route zu kennen. Wir sahen in einer Video-Konferenz im Split-Screen das Live-Bild, die Auslöseschwellen der PIRs und die Auswertung der Video-Analyse. Die Abnahme vor Ort nahmen wir Ende Februar 2021 bei deutlich gesunkenen Inzidenzen vor. Die technische Dokumentation der Einbruchsversuche wurde u.a. mit Drohnen-Videos angereichert.

Wie könnte nach Ihren Erfahrungswerten ein Zukunftsszenario für eine Perimeter-Sicherheit aussehen? Gibt es nach Abschluss dieses Projekts allgemeine Empfehlungen oder Schlüsse, die Sie für ähnliche Vorhaben ableiten würden?

René Steinkellner: Wir werden noch intensiver neue Video-Analysen, Boden- und Zaunsensoriken testen. Wir bereiten derzeit einen österreichischen Perimeter-Sicherheits-Tag vor, um unseren Kunden Sicherheits-Technik erlebnisnah zu präsentieren zu können.

Markus Piendl: Aktuell wird von Arrowtec geplant, die vorhandene Sicherheits-Technik mit einer autonomen Drohne zu kombinieren. Die Drohne wird auf einer Landestation im geschützten Bereich geparkt und steigt nach einem Alarm auf, um Täter, die den Perimeter durchschritten haben, in sicherer Höhe, dann gesteuert durch die Leitstelle, zu verfolgen. Wir erwarten einen ersten Prototyp Mitte dieses Jahres.

Angela Bschorr: Gerade bei weitläufigen Installationen kann ich mir den Einsatz einer eigenen Drohne als Ergänzung des Perimeter-Schutzkonzepts gut vorstellen. Zu beachten ist, dass der rechtliche Rahmen für autonome Flüge geklärt sein muß. Datenschutzvorgaben müssen eingehalten werden – und eine Versicherung muss für eventuelle Schäden bei einem Absturz der Drohne aufkommen. Leitstellen müssen einen solchen Service anbieten können und wollen.

Beteiligte Hersteller

  • Novar Honeywell: Adpro PIR-Melder der H-Serie und IFT mit IntrusionTrace
  • Telenot:Einbruchmelde-Anlage
  • Hikvision: Kameras
  • Riello: unterbrechungsfreie Stromversorgung
  • Hekatron: Brandmelde-Anlage
  • Dehn: Blitz- und Überspannungsschutz
  • Arrowtec: Drohnen-Verifikationssystem

Beteiligte Errichter

  • Styx Sicherheitstechnik mit ihrer Marke Avasun
  • Phao Sicherheits- und Elektro­technik

Contact

SMP Sachverständigenbüro Markus Piendl

Evereststr. 45
81825 München
Germany

+49 89 9965 8892