Immerhin scheint sich die Sicherheitsbranche nach dem Einbruch im vergangenen Frühjahr allmählich zu erholen.  Laut der Herbst-Konjunktur-Umfrage des BHE konnten einige Gewerke, darunter auch die Videoüber­wachung, sogar von der Pandemie profitieren. Ein Gespräch mit Thorsten Reichegger, Leiter Consulting und Technical Services bei der Videor E. Hartig GmbH.

GIT SICHERHEIT: Herr Reichegger, das vergangene Jahr war ja in vieler Hinsicht außergewöhnlich. Wie blicken Sie bei Videor auf 2020 zurück?  

Thorsten Reichegger: Natürlich war es auch für uns ein Jahr der extremen Herausforderungen – aber auch eines voller positiver Überraschungen und Veränderungen. Zum einen haben wir bei der Digitalisierung unserer Prozesse einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht. Die Kollegen in unserer IT haben hier großartige Arbeit geleistet, in Rekordzeit. Zum anderen war da die Umstellung von der Präsenzarbeit zu Mobile Work. Dass dies so reibungsfrei und ohne Produktivitätseinbußen vonstattenging, war dann doch für sehr viele eine große Überraschung.

Wie haben Sie das Homeoffice-Thema geregelt?

Thorsten Reichegger: Seit März arbeiten bei uns nur diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, deren Anwesenheit unentbehrlich ist, allen voran unser Logistik- und Customizing-Team. Alle anderen arbeiten mobil mit der vom Unternehmen bereitgestellten Hard- und Software am heimischen Schreibtisch. Und natürlich gab es anfänglich auch Zweifel, ob das auf Dauer gutgehen kann. Die wurden aber sehr schnell durch die Leistung der Kolleginnen und Kollegen widerlegt, die seit Monaten alle unglaublich diszipliniert und motiviert jeden Tag ihre Frau und ihren Mann stehen. Die Zahlen des ausgehenden Geschäftsjahres bestätigen das: Kaufmännisch betrachtet war 2020 für uns ein sehr gutes Jahr. Insofern stützen unsere Zahlen den Befund der von Ihnen angeführten BHE-Umfrage.

Gab es Segmente, die von der Pandemie förmlich gestärkt wurden?

Thorsten Reichegger: Besonders gut haben sich in den vergangenen Monaten die Bereiche IP-Audio und Sensorik für Retail-Intelligence-Anwendungen entwickelt. Hier scheint die Pandemie tatsächlich als Nachfragetreiber zu wirken, der auch im Videogeschäft für Schub sorgt. Hinzu kommt, dass unsere Kunden vermehrt unser Service-Angebot nutzen, das ich gemeinsam mit meinem Kollegen Torsten Sonntag verantworte.

Sie informieren zu diesen Services ja auch an prominenter Stelle der Unternehmens-Website – das zeigt, wie relevant dieses Angebot offenbar ist. Woher rührt die wachsende Nachfrage aus Ihrer Sicht?

Thorsten Reichegger: Zunächst einmal ist es eben so, dass Sicherheitsfacherrichter wie auch das Elektrohandwerk und verwandte Branchen seit Jahren nicht genügend geeignetes Personal finden, um vom steigenden Bedarf an Sicherheitstechnik so zu profitieren, wie es möglich wäre. Nun hat Corona die Lage zusätzlich verschärft, durch den Ausfall von Unterricht, Ausbildungsmessen, Bewerbungstrainings und Fortbildungen. Währenddessen brauchen aber Errichter und Fachplaner für laufende Projekte und Ausschreibungen weiterhin sehr kurzfristig Fachpersonal mit Netzwerktechnik-Know-how. Und dann sind da die Systemhäuser, die vom Wachstum in der Physical Security profitieren wollen, aber keine oder wenig Erfahrung mit der Planung von Videosicherheitslösungen haben. Für diese wie auch für unsere klassischen Errichterkunden schließen wir mit unseren Services eine Lücke, oder bauen, wenn Sie so wollen, eine Brücke in Richtung mehr Umsatz.

Und welche Dienstleistungen sind besonders tragfähige Brückenpfeiler, um in Ihrem Bild zu bleiben?

Thorsten Reichegger: Unsere Planungsunterstützung, die die Anforderungen der DIN EN 62676 und natürlich der DSGVO erfüllt, wird gerne in Anspruch genommen. Eine Rolle spielt hier natürlich auch, dass bei uns Planung und Produkte aus einer Hand kommen. Dadurch werden unliebsame Überraschungen bei der Installation von vornherein ausgeschlossen, so dass Abgabefristen eingehalten und teure Nacharbeiten vermieden werden. Wir haben im vergangenen Jahr auf Basis von vergleichbaren Daten ermittelt, dass Kunden, die unsere Services wie Planung, IP-Vorkonfiguration und Inbetriebnahme-Unterstützung genutzt haben, ihre Produktivität bei der Installation und Inbetriebnahme um bis zu 28 Prozent steigern konnten. Ausschlaggebend hierfür sind Effizienzgewinne, die sich aus der Reduktion der Rüstzeiten und den Wegfall von Nacharbeiten ergeben. Unsere Services rechnen sich für unsere Kunden, weil sie mit unserer Hilfe sehr viel Zeit sparen und den Personaleinsatz sehr viel präziser und flexibler kalkulieren können.

Wie weit reicht Ihre Beratung?

Thorsten Reichegger: Grundsätzlich können wir auf jeder Projektetappe beratend, logistisch und mit Manpower vor Ort unterstützen und so viele Handgriffe abnehmen. Das versetzt unsere Kunden in die Lage, sich voll und ganz auf die Kommunikation mit den Endkunden und ihr Kerngeschäft zu konzentrieren und die gewonnene Zeit dafür zu nutzen, weitere Angebote zu platzieren. Sie wissen, dass wir sie jederzeit unterstützen können, auch wenn es darum geht, Hardware projektbezogen zu modifizieren oder mit Sonderlackierungen zu versehen. Dafür bieten wir seit einigen Jahren einen eigenen Lackierservice an, der wie ein herkömmliches Produkt bequem in unserem Webshop geordert werden kann und vor allem für Kunden aus dem öffentlichen Personennahverkehr oder dem Baugewerbe zunehmend von Interesse ist.

Das Geschäft der Zukunft heißt Services?

Thorsten Reichegger: Sie werden jedenfalls immer wichtiger, nicht nur wegen der vielerorts dünnen Personaldecke, sondern auch weil die Produkte bzw. die Lösungen, die auf diesen Produkten basieren, immer komplexer werden. Unsere Aufgabe als Mehrwert-Distributor und Trusted Advisor ist es, unseren Kunden über Produkte, Beratung und Schulungen hinaus genau die Unterstützung zu bieten, die sie brauchen, um erfolgreich zu bleiben. Die Resonanz, die wir mit unseren Dienstleistungen finden, zeigt uns, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.